IBA Campus 2017 -
›1.500 Hektar Zukunft‹

Landwirtschaft in Thüringen – Innovation statt Nostalgie

Die Landwirtschaft nimmt auch in Thüringen eine Schlüsselposition zur Bewältigung landesweiter und regionaler Herausforderungen ein. Sie soll nicht nur gesunde Lebensmittel produzieren, sondern auch für eine ökonomische, soziale und ökologische Stabilisierung sowie ästhetische Aufwertung der ländlichen Räume sorgen. Welche Denk- und Organisationsmodelle eignen sich für Thüringen, ein Bundesland, das überwiegend ländlich geprägt ist und mit dem Thüringer Becken einen der fruchtbarsten Böden von Deutschland besitzt? Mit welcher Landwirtschaft und in welcher Landschaft wollen wir in Thüringen leben und was brauchen wir dafür? 

Das IBA Werkstattgespräch am 30. Juli 2017 widmete sich unter dem Titel ›Thüringer Landwirtschaft - Innovation statt Nostalgie‹ eben jenen Fragen. Über 70 Teilnehmenden kamen in den Eiermannbau Apolda und beteiligten sich an der offenen Diskussion und dem Austausch über die verschiedenen Positionen zum derzeitigen Stand und der Zukunft der Thüringer Land(wirt)schaft.

Neben der Begrüßung durch Apoldaer Bürgermeister Rüdiger Eisenbrand und verschiedenen Beiträgen von Dr. Marta Doeler-Behzadi, Geschäftsführerin der IBA Thüringen, Dr. Ingo Zopf vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft und Dr. Kenneth Anders vom Büro Landschaftskommunikation und Fachbeirtasmitglied der IBA Thüringen wurden im Rahmen des Werkstattgesprächs auch die Ergebnisse des IBA Campus vorgestellt und anschließend gemeinsam diskutiert. 

IBA Werkstattgespräch ›Landwirtschaft in Thüringen: Innovation statt Nostalgie‹.

Die vier Szenarien des IBA Campus wurden von Campusleiter Dirk Wascher und Claudia Siebeck präsentiert. Deutlich wurde, dass alle Szenarien auf globale Zusammenhänge eingehen, simultan aber auch die Sicherung regionaler Identität anstreben. Von tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft gingen ebenfalls alle Szenarien aus. Auch das Thüringer Becken mit seinen fruchtbaren Böden und seiner Weite wurde in allen Entwürfen nicht nur erhalten, sondern auch nachhaltig gesichert.

In einer anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden dann strittige Themen aufgeworfen, die heute die Realität vor Ort bestimmen: Die Konkurrenz um Flächen zwischen Stadt und Land; die unterschiedlichen Interessen zwischen den Landwirt:innen, die einschließlich ihrer Mitarbeitenden nur noch rund ein Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum ausmachen, und den restllichen 99 Prozent, deren Einkommen nicht aus der Landwirtschaft stammt; die Schwierigkeiten gerade für junge Landwirt:innen eine andere Form der Landwirtschaft zu betreiben, weil sie häufig gar keine Zugang zu Flächen erhalten; die Spekulation mit landwirtschaftlichen Böden, die zu höheren Pacht- oder Bodenpreisen führt, was die Landwirtschaft Betreibenden wiederum zwingt, höhere Erträge zu erwirtschaften.

Im Bewusstsein der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse haben die Studierenden es geschafft, in ihren Szenarien eine lokale Andersartigkeit zu denken und praktisch voranzutreiben und sich – ganz nach dem Motto »Global denken und lokal handeln« – hier auch Fragen nach einer übergeordneten Verantwortung zu stellen. »Haben wir hier im Thüringer Becken nicht eine besondere Verantwortung für die Menschen in anderen Regionen, wo die Böden weniger fruchtbar sind?«, fragte der Besucher des Werkstattgesprächs Pfarrer Jens Bechtloff. Die Szenarien beantworten dies, indem sie einerseits eine lokale, umfassende Selbstversorgung der Bürger vor Ort vorsehen, andererseits den Weltmarkt mit Grundstoffen für die Arzneimittelherstellung, die globale Biokunststoffindustrie oder mit Grundnahrungsmitteln bedienen.