StadtLandSchule Weimar
⸺ Innovativ Schule machen
Der bundesweite Investitionsstau im Schulbau beträgt mehr als 45 Milliarden Euro (vgl. KfW Kommunalpanel 2022) und stellt für viele Kommunen eine Haushaltsbelastung dar. Drastische Berichterstattungen in den Medien über den Zustand unserer Schulen sind an der Tagesordnung. Für zahlreiche neue Anforderungen der Bildungsbauten wie veränderte Schulformen, Ganztagsunterricht, Inklusion, Energieeffizienz, Digitalisierung und vieles mehr müssen neue pädagogische und räumliche Lösungen entwickelt werden. Viele schulbauspezifische Richtlinien und Standards basieren jedoch auf überholten Schulmodellen und stehen dem Entwicklungsbedarf entgegen. Das alte Klassenraum-Flur-System hat ausgedient.
Die Stadt Weimar und ihre Staatliche Gemeinschaftsschule mit einem pädagogischen Profil nach Jenaplan-Konzept stand exakt vor diesen Herausforderungen. Aufgrund der hohen Nachfrage wuchs die Schule seit ihrer Gründung 1993/94 innerhalb kurzer Zeit zur größten Weimarer Schule. Der damit verbundene Platzbedarf und zugleich der hohe Anspruch an zukunftsgerichtete Pädagogik und ihrer räumlichen Entsprechung führten zur erfolgreichen Bewerbung bei der IBA Thüringen 2014. Der Interimsstandort ›Am Hartwege‹ in Weimar mit einer in die Jahre gekommen Typenschule aus der DDR bildete den Ausgangspunkt für die gemeinsame Entwicklungsarbeit an einem neuen ›Typ‹ von Schule. Mit Hilfe der umfangreichen Unterstützung durch die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft wurden in einem außergewöhnlichen Konzeptions- und Entwurfsprozess (Phase Null, Forschendes Entwerfen) die mutigen Perspektiven und Anforderungen der Schulgemeinschaft als Nutzer:in in den Mittelpunkt gestellt. Ein interdisziplinäres Team aus erfahrenen Schulbauarchitekt:innen und Fachplaner:innen entwickelte daraus einen kommunikativ wirksamen, offenen Grundriss als Grundstruktur.
75 Schüler:innen, pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte teilen sich die als ›Lernlofts‹ bezeichneten Etagen und bilden Jahrgänge übergreifende Gemeinschaften, in denen das gemeinsame Lernen entsprechend des Jenaplan-Konzepts ermöglicht und organisiert wird. Jeweils drei der Lernlofts bilden ein Gebäude, deren Erschließung stirnseitig vorgelagert ist und an den Längsseiten balkonartig die pädagogischen Flächen in den Außenraum erweitert. Der Einsatz aufwendiger Lüftungstechnik wird weitgehend vermieden, in dem eine großzügige Raumhöhe sowie bodentiefe Fenster eine natürliche Lüftung ermöglichen. Insgesamt drei der Gebäude sind villenartig im wertvollen Parkgrundstück platziert. Unter dem entwickelten Leitbild ›Schule als Park‹ wird der Außenraum zum pädagogisch-funktionalen Bestandteil der Schule. Auf Schulhöfe im herkömmlichen Sinne wird verzichtet und damit auch der Anteil versiegelter Flächen möglichst gering gehalten. Der Schulpark wird als Bestandteil des Wohnquartiers auch für die Anwohner:innen öffentlich zugänglich sein. Das Gebäude setzt für seine energetische Versorgung und Temperierung mittels mit Photovoltaik gestützter Luft-Wärmepumpen vollständig auf erneuerbare Energien.
Das IBA Projekt StadtLandSchule überwindet damit die Grenzen herkömmlicher Schulgebäude. Hier wurde der Raum nach den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an Schule neu gedacht und ein Schultyp entstand, der den Anspruch nach Innovation mit angemessenen Mitteln umsetzt. Im Sinne einer städtebaulichen Nachhaltigkeit eignet sich die Gebäude-Grundstruktur gerade durch das sichtbar Additive der Konstruktions- und Ausbauschichten in Zukunft auch zur Umnutzung in Wohn- und Gewerbetypologien. Damit innovativer Schulbau nicht nur einzelnen Kommunen vorbehalten bleibt, hat die Projektpartnerin Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft aus dem Pilotvorhaben in Weimar die digitale Plattform schulbauopensource.de entwickelt, auf der mehrere, bundes- weit durch die Stiftung begleitete Modellvorhaben vollumfänglich dokumentiert werden. Kommunen, Schulen und Planer:innnen steht mit diesem digitalen Planungswerkzeug, nach vergleichbaren Kriterien strukturiert, das gesamte Planungswissen offen und zur Nachahmung und Weiterentwicklung zur Verfügung.
Mit der Bewerbung der Stadt Weimar und der Schule bei der IBA Thüringen 2014 begann die Vorphase des Projekts, bei dem in enger Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar sowie den Kulturagenten für kreative Schulen ein enger Beteiligungsprozess mit der Schulgemeinschaft durchgeführt wurde, um Innovationsanspruch und Zielstellung zu schärfen. Im Jahr 2016 bewarben sich die Stadt und die Schule erfolgreich für das bundesweite Programm ›Inklusive Schulen Planen und Bauen‹ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Dank ihrer finanziellen und fachlichen Unterstützung konnte ab 2017 ein außergewöhnlicher Konzeptions- und Vorplanungsprozess durchgeführt werden. Unter der Begleitung eines erfahrenen Schulbauberaterteams wurde im Rahmen einer sogenannten Phase Null ein intensiver Entwicklungs- und Aushandlungsprozess mit der Stadtverwaltung und Schulgemeinschaft durchgeführt. Zahlreiche Workshops zu Einzelthemen sowie Exkursionen zu guten Praxisbeispielen bildeten die Grundlage für mutige Entscheidungen. In einer auf den Ergebnissen der Phase Null aufbauenden Machbarkeitsstudie wurde die Umsetzbarkeit im Bestand oder alternativ als Neubaulösung untersucht. Im Ergebnis votierte der Weimarer Stadtrat für die Neubauvariante.
Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und die IBA Thüringen entwickelten daraufhin die Idee, das wertvolle Projekt- und Planungswissen modellhaft für weitere Schulträger:innen bereitzustellen. Die Stiftung initiierte das Projekt ›Schulbau Open Source‹, mit dem Standort Weimar als erstem Pilotvorhaben. Damit entsteht anhand von mehreren bundesweiten Modellvorhaben für zukunftsorientierten Schulbau eine digitale Plattform, die das umfangreiche Planungswissen offen zur Verfügung stellt. In einem von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft finanzierten und fachlich begleiteten, forschungsähnlichen Entwurfsprozess wurden die Perspektiven und Belange der einzelne Fachdisziplinen bereits in den frühen Entwurfsphasen berücksichtigt, abgewogen und im ständigen Dialog mit der Stadt und Schulgemeinschaft abgeglichen.
Der fertige Entwurf für den Schulneubau wurde im Dezember 2019 feierlich vor zahlreichen Schüler:innen und deren Eltern an den Oberbürgermeister der Stadt Weimar übergeben. Damit folgte auch der Status als IBA Projekt. Der Umbau und die Modernisierung der bestehenden Sporthalle am Standort ist ebenfalls Teil des IBA Projekts. Aufgrund der gleichbleibenden Nutzung und getrennten Finanzierung wurde sie in einem konventionellen Prozess entwickelt. Hier standen insbesondere die Einbindung in das Gesamtkonzept sowie ökologische Aspekte im Vordergrund, wie die vollständig auf erneuerbaren Energien basierende Gebäudetechnik sowie eine Fassade aus nachwachsenden Rohstoffen zum Ausdruck bringen werden.
Die Schulgebäude werden bis 2024 fertiggestellt, die Außenanlagen und Sporthalle voraussichtlich im Jahr 2025.
Ort
Staatliche Gemeinschaftsschule Weimar
Am Hartwege 2
99425 Weimar
Kontakt
Projektträger:inner
Kooperationspartner:in
Förderung
- Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: Schulinvestitionsprogramm, Städtebauförderung
- Thüringer Ministerium für Bildung Jugend und Sport, Sportstättenförderung
- Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
- Internationale Bauausstellung Thüringen GmbH
- Architektur: gernot schulz : architektur, Köln (Beratung LP 1−2, LP 3−8), Hausmann Architekten, Aachen (Phase Null, Machbarkeitsstudie, LP 1−2)
- Bauphysik: Ingenieurbüro Hausladen, München (LP 1−6)
- Landschaftsplanung: Rabe Landschaften, Hamburg (LP 1−4), Station C23, Weimar (LP 5−8)
- Bauüberwachung: Ernst2 Architekten, Hannover
- Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Matthias Münz, Weimar (LP 1−4), Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, Erfurt (LP 5−8)
- Brandschutzplanung: IBC Ingenieurbau-Consult, Mainz
- Brandschutzprüfung: Sachverständigenbüro Arnhold, Weimar
- HLS-Planung: Ingenieurbüro Hausladen, München (LP 1−3), IEB, Ingenieurbüro Endter und Butler, Erfurt (LP 4−8)
- Elektroplanung: Ingenieurbüro Fruth, Grässner & Partner, Erfurt (LP 1−3), STF Energy, Erfurt (LP 4−8)
- Akustikplanung: Hoock & Partner Sachverständige, Landshut
- Pädagogische Beratung: Walter Heilmann, Köln
- Risikomanagement: Ingenieurbüro BMPesch, Berlin
- Beratung Küchenplanung und Verpflegungskonzept: Ökomarkt, Hamburg
- Umbau und Modernisierung Sporthalle: nitschke + kollegen architekten, Weimar (Architektur, Brandschutz-Planung), STF Energy, Erfurt (HLS-Planung, Elektro-Planung), Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, Erfurt (Tragwerks-Planung)
- Unterstützung: Bauhaus-Universität Weimar, Kulturagenten für kreative Schulen
- ›Schule planen und bauen‹ Blog der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
- Gespräch mit Ilka Drewke, IBA Magazin 2022, S.38
- Kommentar Barbara Pampe, IBA Magazin 2020, S.32
- IBA Logbuch, Stand 2019
- Interview mit Ilka Drewke, IBA Magazin 2019, S.84
- Artikel ›Eine Schule der Zukunft – im Plattenbau?‹, IBA Magazin 2016, S.54
17.11.2014
Nominierung zum IBA Kandidat
09.07.2015
Von Studierenden der Bauhaus-Universität realisierte Mikroarchitektur ›StadtLandSchulLabor‹ wird Arbeitsort für Qualifizierungsprozess.
19.05.2016
IBA Kandidat StadtLandSchule Preisträger im Bundeswettbewerb ›Pilotprojekte Inklusive Schulen planen und bauen‹ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, fachliche Unterstützung für die erste Vorplanungs- bzw. Projektentwicklungsphase
20.06.2016
Festakt mit 200 Schüler:innen zum Startschuss der Phase Null
15.09.2017
StadtlandSchule feiert Abschluss der Phase Null
29.08.2018
Kooperationsvereinbarung für Planungsbaukasten ›Schulbau Open Source‹
06.09.2019
Nominierung zum IBA Projekt
02.12.2019
Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft übergibt Stadt Weimar Entwurf für Schule der Zukunft
25.10.2021
Beginn der Abbrucharbeiten
07.12.2021
Launch des Planungstools ›Schulbau Open Source‹ www.schulbauopensource.de
10.05.2022
Spatenstich für den Neubau der ›StadtLandSchule‹ in Weimar
02.03.2023
Aufnahme in IBA Abschlusspräsentation
20.04.2023
Richtfest der Lernhäuser