Thüringen, LeerGut-Agenten
LeerGut retten: Thüringer Netzwerk zur Belebung von Leerstand
Auf Initiative der IBA Thüringen gründeten sich 2018 die LeerGut-Agenten als Thüringer Netzwerk zur gemeinwohlorientierten Belebung von Leerstand. Für die IBA ist Leerstand eine wertvolle Ressource in Hinblick auf knappe Bauflächen und Baustoffe, Ortsgeschichte und Identität, Handwerkskunst, graue Energie, Umweltschutz und Baukultur - eben LeerGut.
Die LeerGut-Agenten wollen neue Nutzer:innen, Kommunen und Alteigentümer:innen dabei unterstützen, Altbauten und Brachen wiederzubeleben. Viele leerstehende Gebäude und Brachen, darunter alte Fabriken, Schulen, Beherbungsstätten, Verwaltungen und Hofstellen sind für nur eine Nutzungseinheit zu groß. Entsprechend bedarf es des Leerstandsmanagements, der Bildung von Baugruppen, der Entwicklung von Nutzungs- und Betreiberkonzepten und der Beratung bei Fragen des Planungs- und Baurechts, der Finanzierung und der Förderung, bis hin zu alternativen Eigentumsformen wie Erbbaurecht und Genossenschaften.
Die LeerGut-Agenten verknüpfen Initiativen, Wissen und Erfahrungen, damit aus guten Ideen machbare Projekte werden. Ziel ist es, Alternativen zu Spekulation, Verfall und Abriss, aber auch zu weiterem Neubau ›auf der grünen Wiese‹ aufzuzeigen. Dabei ermöglichen die LeerGut-Agenten die persönliche Entfaltung der Beteiligten, das Gemeinwohl in der Region, der Kleinstadt bzw. im Dorf zu stärken und die planetaren Grenzen, insbesondere Boden, Umwelt und Klima, zu berücksichtigen. Mit ihrem Selbstverständnis als Thüringer Lobby für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung, setzen sie sich so für die Um- und Wiedernutzung von Häusern und Brachen in den ländlichen Räumen ein und für eine Baukultur, die Innovationen in der Planung, Finanzierung und Förderung hervorbringt.
2021 bauten die LeerGut-Agenten mit finanzieller Unterstützung der IBA Thüringen mit den ›LeerGut-Scheinen‹ ein entsprechendes Beratungsangebot auf: Sie möchten Initiativen zur Entwicklung von leerstehenden Immobilien insbesondere in der sogenannten „Phase 0“ vernetzen, beraten und unterstützen – von der Idee zum Projekt. Im Jahr 2022 boten sie außerdem bei der Thüringer Kommunalakademie eine Fortbildung zu neuen Nutzergruppen, Leerstandsmanagement und Baulandpolitik an.

In regelmäßigen Netzwerktreffen kommen die LeerGut-Agenten mit Expert:innen und Interessierten zusammen, besuchen thüringenweit etablierte und neu entstehende Projekte, schaffen Öffentlichkeit und vermitteln Kontakte. Treffen fanden bereits in Gera, Cobstedt, Apolda, Tonndorf, Schwanditz, Lauscha, Tannroda, Schweina und im Quartiersprojekt ›Alte Feuerwache e.V.‹ in Weimar statt.

Im breiten Netzwerk sind inzwischen über 50 Aktive, Initiativen, Wohn-, Kultur- und Gewerbeprojekte, Verwaltungsmitarbeitende, Planungs- und Projektbüros sowie Bauschaffende vertreten.
Die LeerGut-Agenten sind Mitglied im Netzwerk Immovielien, Projektträger ist der Plattform e.V. in Erfurt.
Im September 2020 wurden die LeerGut-Agenten vom Fachbeirat der IBA Thüringen zum IBA Kandidaten ernannt. Ziel ist es, die LeerGut-Agenten über die Dauer der IBA hinaus in Thüringen zu etablieren.
Netzwerktreffen der LeerGut-Agenten bei IBA Projekt Haus Bräutigam
Bei strahlendem Wetter besuchten die LeerGut-Agenten zu ihrem 10. Netzwerktreffen am 3. Mai 2022 das IBA Projekt und Sommerfrische Haus Bräutigam im Schwarzatal. Das über 100 Jahre alte Fachwerkhaus wird von einer Gruppe aus Architekt:innen und Designer:innen in einem mehrjährigen Forschungs-, Planungs- und Selbstbauprozess behutsam zu einem Seminar- und Arbeitshaus mit einfachen Übernachtungsmöglichkeiten saniert und umgebaut. Besonderes Merkmal ist die Eigentumsform. Das Grundstück liegt im Sondervermögen StadtLand Thüringen bei der Stiftung trias. Der Nutzerverein hält das Erbbaurecht, in dem das Nutzungskonzept langfristig festgelegt ist. Spekulation und Weiterverkauf sind somit ausgeschlossen.
Bei der ausführlichen Hausbesichtigung erläuterten die Projektbeteiligten Till Hoffmann, Christine Dörner und Jessica Christoph den Sanierungsprozess unter anderem mit Materialuntersuchungen und der Durchführung verschiedener Bauschulen, sogenannter ›offener Baustellen‹. Burkhard Kolbmüller von der Zukunftswerkstatt Schwarzatal ging auf die Geschichte des Hauses und der Sommerfrische-Urlaubsregion ein, die sich derzeit neu erfindet. Das Projekt wurde gefördert aus der Regionalentwicklung des TMIL und unterstützt von der IBA Thüringen.
Beim anschließenden Netzwerktreffen tauschten sich die 30 Teilnehmenden aus verschiedenen Thüringer Städten und Regionen, darunter auch Kommunalvertreter:innen und Studierende, über ihre Projekte und Erfahrungen bei der Aktivierung von LeerGut aus. Ziel der Netzwerktreffen ist es, die Möglichkeiten neuer Nutzergruppen, agiler, kooperativer Planungsprozesse, Eigentums- und Nutzungsmodelle zu verdeutlichen.

Foto: Tom Kunzelmann
Fortbildungsangebot ›Leerstand als Chance‹ bei der Thüringer Kommunalkademie gestartet
Leerstand als Chance‹ war der Titel der Fortbildung der LeerGut-Agenten bei der Thüringer Kommunalakademie am 24. März 2022 in Erfurt. Die Referen:innen und LeerGut-Agenten Klaus Schotte, Dr. Bertram Schiffers und Ines Klinke konnten im Rahmen der Veranstaltung 15 Mitarbeitende aus Kommunalverwaltungen aus den Bereichen Bau, Stadtplanung, Liegenschaften und Wirtschaftsförderung begrüßen. Referiert wurde über eine andere Sichtweise auf Leerstand als Ressource, neue Nutzergruppen, gemeinwohlorientierte Projektentwicklung als „Phase 0“ sowie aktive Baulandpolitik. Das Ziel, die Aktivierung von Leerstand mit neuen Nutzer:innen und Verfahren, war in vier Blöcke gegliedert:
Perspektivenwechsel - Leerstand ist Ressource und Chance
Neue Nutzer als Impulsgeber und Partner, von der Idee zum Projekt (Phase 0)
Strategische Stadt- und Dorfentwicklung, Leerstandsmanagement und Bodenpolitik
Ressourcen, Initiativen und Netzwerke
Es gab rege Nachfragen, Diskussionen und kollegialen Austausch. Die angeregten Diskussionen förderten die Vertiefung und den Erfahrungsaustausch. Die große Nachfrage und die positiven Rückmeldungen sind Ansporn für die LeerGut-Agenten, das Fortbildungsangebot weiterzuführen.

Das Fortbildungsangebot ›Leerstand als Chance‹ wurde in der Kommunalakademie Thüringen in Erfurt durchgeführt. Foto: Dr. Bertram Schiffers
Thema ›Bestand als Ressource‹ beim Netzwerktreffen spezial online
Zu ihren Online-Treffen in der Reihe ›Netzwerktreffen online spezial‹ laden die Leergut-Agenten externe Referent:innen ein, gemeinsam zu unterschiedlichen Themen der ressourcenbewussten Entwicklung von Leerstand in ländlichen Regionen zu sprechen. Angesichts von Klimakrise, Naturverbrauch, Materialknappheit und Flächenmangel gewinnt der bewusste und sparsame Einsatz von Ressourcen im Bauwesen zunehmend an Bedeutung. Eine Kreislaufwirtschaft in der Nutzung von Bestandsgebäuden, Recyclingbaustoffen und Brachen ist Ziel und Motivation der LeerGut-Agenten.
Die LeerGut-Agenten begreifen leerstehende Räume als zentrale und vielschichtige Ressource für die nachhaltige Entwicklung ländlich geprägter Regionen. Durch Um- und Wiedernutzung entstehen neue Potentiale für Wohnen, Begegnen und Arbeiten. Dennoch zählt der Bau- und Gebäudesektor immer noch zu den größten Klimasündern, weshalb die LeerGut-Agenten für die gemeinwohlorientierte Belebung von Leerstand auch die dafür benötigten materiellen Ressourcen in den Blick nehmen.
In einem Netzwerktreffen Spezial der LeerGut-Agenten am 17. März 2022 wurde sich mit kurzen Input-Vorträgen und einem gemeinsamen Austausch über Ideen, Projekte und offene Fragen eben diesen Themen gewidmet.
Programm:
Nachhaltiges Bauen als Thema der Zukunft – Projekte der IBA Thüringen
Bertram Schiffers, IBA Thüringen
Einführung – Graue Energie, Kreislaufwirtschaft und rural mining im ländlichen Raum?
Fridtjof Florian Dossin, Institut für Graue Energie
Die traditionelle Lehmbaulandschaft in Mitteldeutschland erfassen und nachhaltig entwickeln
Franziska Knoll, WIR!-Bündnis GOLEHM, Initiative für Lehmbau und nachhaltige Kreislaufwirtschaft Halle
Bericht aus der Praxis – Wiederverwendung von Baustoffen auf einem Altenburger Bauernhof
Robert Herrmann, Kulturhof Kleinmecka
Das Format ›Netzwerktreffen online spezial‹ entstand während der Corona-Pandemie. Die bisherigen Themen waren ›Dorfläden und Dorfkneipen‹ am 15. April 2021 sowie ›Interkommunales Siedlungsmanagement‹ am 5. Oktober 2021. Die Reihe wird entsprechend der Nachfrage aus dem Netzwerk der LeerGut-Agenten fortgesetzt.

Die Wiedernutzung von Gebäuden ist aufgrund der darin gebundenen „grauen Energie“ ein grundsätzlich nachhaltiger Ansatz. Für deren Ertüchtigung braucht es jedoch Wissen über den Bestand und ressourcenschonende Umbaukonzepte. Zentral ist dabei eine Kreislaufwirtschaft von Baustoffen, wozu lokale Herstellung, aber auch Reparatur, Abbruch und Wiederverwendbarkeit im Sinne des „urban oder auch rural mining“ zählen. Foto: Fridtjof Florian Dossin
IBA Fachbeirat empfiehlt Kandidatenstatus für die ›LeerGut-Agenten‹
IBA Kandidat wird, wer gute Ideen und Konzepte für das StadtLand vorweisen kann. In einem anschließenden Qualifizierungsprozess mit Workshops, Studien, Wettbewerben und ersten Planungen reifen diese Ideen zu Projekten, an die ein hoher Maßstab angelegt wird. IBA Projekte sollen für die Entwicklung Thüringens und darüber hinaus Referenz und Vorbild sein.
Die LeerGut-Agenten, das Thüringer Netzwerk zur Belebung von Leerstand, sind 2018 als Initiative der IBA Thüringen gestartet. Thüringen braucht eine Umbaukultur: weg von weiterer Flächeninanspruchnahme, hin zur Nach- und Umnutzung im Bestand. Vielen Interessierten fehlt aber das Fachwissen in organisatorischer, baulicher und finanzieller Hinsicht zur Aktivierung von LeerGut. Damit innovative und gemeinwohlorientierte Projekte nicht scheitern, soll durch die LeerGut-Agenten gute Beratung und Vernetzung bereitgestellt werden. Sie leisten Hilfe zur Selbsthilfe um aus Ideen machbare Konzepte zu entwickeln, die zugleich einen Mehrwert für den Ort und die Region schaffen. Die LeerGut-Agenten sind als Netzwerk von Thüringer Aktiven gestartet. Ihre Besonderheit ist die Breite der beruflichen Hintergründe, Erfahrungen und Fachkompetenzen der Mitglieder. Damit schaffen die LeerGut-Agenten sowohl den Austausch vor Ort in den Thüringer Regionen als auch in die Fachwelt und Politik.
Der IBA Fachbeirat hat am 14. September 2020 empfohlen, den LeerGut-Agenten den Status eines IBA Kandidaten zu verleihen.
In der Pilotphase als IBA Kandidat werden die LeerGut-Agenten beim Plattform e.V. eine Koordinationsstelle einrichten, um ihre Netzwerkarbeit zu verstetigen sowie Beratungen und Fortbildungen zu vermitteln.
Momentan keine Termine
IBA Thüringen
Katrin Hitziggrad
Koordination
Telefon +49 176 830 548 61
kontakt@leergut-agenten.de
Dr. Bertram Schiffers
IBA Projektleiter
Telefon +49 3644 51832-14
bertram.schiffers@iba-thueringen.de