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Eingebettet in das  flachwellige Hügelland stellt die neue Tank- und Rastanlage einen Blick auf die besondere Kulturlandschaft der Region, den Bezug zur Geschichte, Identität und Umgebung her.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Die neue Tank- und Rastanlage liegt an der von 2010 bis 2015 gebauten A71 bei Sömmeda. Die Bundesautobahn führt von Schweinfurt über den Thüringer Wald und die Landeshauptstadt Erfurt und weiter nach Sangerhausen.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
In der unmittelbaren Nachbarschaft befindet sich der Leubinger Fürstenhügel, einer der bedeutendsten archäologischen Fundstätten aus der frühen Bronzezeit. Vor rund 4.000 Jahren wurde dort ein Fürst in dem ursprünglich etwa zehn Meter hohen Grabhügel bestattet.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Mit einem internationalen Wettbewerb startete 2014 die interdisziplinäre Planung aus Hochbauarchitektur, Landschaftsarchitektur und Kommunikationsdesign. Den Wettbewerb konnte eine junge Planergemeinschaft aus Berlin mit einem überzeugenden Entwurf für sich entscheiden.
©MONO Architekten/Berlin, Planorama Landschaftsarchitektur/Berlin, MUS/Berlin
Der Bau begann im Oktober 2018. Der flache, langgestreckte Baukörper ist von der Typologie des bronzezeitlichen Langhauses inspiriert, das seinen gestalterischen Ausdruck in der Dachform findet.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Der rund fünfhundert Meter lange Weg vom Rastgebäude bis zur erhabenen Landmarke des Fürstenhügels ist als Lehrpfad umgesetzt. Der Weg selbst ist als Zeitschiene inszeniert, die entlang geschichtlicher Ereignisse und herausragender archäologischer Funde aufgebaut ist.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Der Pfad lädt die Besucher der Rast- und Tankanlage zum Spaziergang ein und führt sie bis zum  Hügelgrab des Leubinger Fürsten. Der ursprüngliche Umriss des Hügels ist als Wegeschleife nachempfunden.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Auf dem Grabhügel ist eine Aussichtsplattform integriert, die die Lage und Ausrichtung der ursprünglich im Hügel befindlichen Grabkammer nachempfindet.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Bronzestelen und Intarsien im Beton inszenieren den Weg dorthin als Zeitschiene und bieten weiterführende Informationen zu den archäologischen Funden in der Region und den Meilensteinen der Geschichte an. 
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Durch den nahegelegenen Unstrutradweg können auch Fahrradfahrende und Wandernde den Zeitreiseweg sowie die Gastronomie nutzen.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller, Weimar und Gregor Schmidt, Berlin
Für die Gebäudehülle kam eine schlichte Aluminiumhaut zum Einsatz, die den ruhigen Gesamteindruck des Bauwerks unterstreicht. Im Inneren erzeugen die mit Vollholz verkleideten Wände und Decken eine warme und freundliche Atmosphäre.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Eine Dauerausstellung über die frühbronzezeitliche Kultur bespielt die große Holzwand in der Flucht des Gebäudekörpers und setzt sich in den Lehrpfad außen fort. Die Ausstellung verbindet so Architektur und Landschaft. 
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Der Gastraum bietet mit Sitzinseln, Tresen, einem Lounge-Bereich auf der Galerie und eine Spielnische für Kinder eine Vielzahl unterschiedlicher Aufenthalts- und Rückzugsmöglichkeiten.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Das Projekt drückt mit wenigen, eindeutigen gestalterischen Mitteln Ruhe aus, um einen Ausgleich zur schnellen Autobahn zu bieten. Außerdem will sich die Anlage gegenüber dem historischen Fürstenhügel, dem Namensgeber und Protagonisten an diesem Ort, zurücknehmen.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel lädt zum Verweilen ein, was Transitorte sonst selten auszeichnet. Dieses Ensemble führt nicht an der Region vorbei, sondern geradewegs in seine Geschichte hinein. 
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Feierliche Gesamtinbetriebnahme der Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel im Oktober 2021. V. l. Ludger Sehr (DEGES), Andreas Trenkel (Autobahn GmbH des Bundes), Jens-Peter Müller (Bundesverkehrsministerium), Marta Doehler-Behzadi (IBA Thüringen), Ingo Mlejnek (Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft), Matthias Volpp (Shell Deutschland GmbH), Harald Henning (Landkreis Sömmerda).
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Während der finalen IBA Tour überreichte die IBA Geschäftsführerin Marta Doehler-Behzadi den Projektbeteiligten des IBA Projekts Urkunden zur Aufnahme in die IBA Abschlusspräsentation. Dieser symbolische Akt ist die finale Auszeichnung, welche ein Projekt im Rahmen der IBA Thüringen erreichen kann.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller

Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel

⸺ Fenster in die Region

Tankstellen, Bahnhöfe, Flughäfen sind als Orte der Mobilität oft austauschbar. Sie beziehen sich nur auf ihren eigenen Nutzen und sind räumlich abgekoppelt. Der französische Ethnologe und Anthropologe Marc Augé prägte für solche monofunktionalen Gebäude den Begriff der Nicht-Orte: Sie sind ohne Geschichte, Identität oder Bezug zu ihrer Umgebung.

Eine Ausnahme ist an der noch jungen Bundesautobahn A71 bei Sömmerda zu finden, wo Mobilität auf Archäologie, Landschaftsgestaltung und Baukultur trifft. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einer der bedeutendsten archäologischen Fundstätten aus der frühen Bronzezeit, dem Leubinger Fürstenhügel, entstand eine zukunftsweisende Tank- und Rastanlage. Dort, wo vor rund 4.000 Jahren ein Fürst in dem ursprünglich etwa zehn Meter hohen Grabhügel bestattet wurde.
 
Von 2010 bis 2015 wurde um den Fürstenhügel die A71 gebaut, sie führt von Schweinfurt über den Thüringer Wald und die Landeshauptstadt Erfurt und weiter nach Sangerhausen. Im Jahr 2013 beauftragte das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, kurz DEGES, mit der Suche nach einem oder einer Betreiber:in für den Bau und den Betrieb der geplanten Tank- und Rastanlage. Die Besonderheit dabei: Das Projekt sollte keine Tankstelle wie so viele andere sein, sondern im Rahmen der IBA Thüringen und mit Blick auf die besondere Kulturlandschaft der Region den Bezug zu Geschichte, Identität und Umgebung herstellen.
 
Mit einem internationalen Wettbewerb startete 2014 die interdisziplinäre Planung aus Hochbauarchitektur, Landschaftsarchitektur und Kommunikationsdesign. Die Aufgabe bestand darin, die Tank- und Rastanlage in den landschaftlichen Zusammenhang des flachwelligen Hügellands sowie in den historischen Kontext einzubetten. Die europaweite Auslobung des Wettbewerbs war ein modellhaftes Verfahren zur Qualifizierung von Infrastrukturmaßnahmen. Den Wettbewerb konnte eine junge Planergemeinschaft aus Berlin mit einem überzeugenden Entwurf für sich entscheiden.
 
Im September 2017 erhielt die Shell Deutschland GmbH den Zuschlag als Betreiberin der Tank- und Rastanlage und ließ den Siegerentwurf des interdisziplinären Planungswettbewerbs und die Empfehlungen der IBA Thüringen umsetzen. Shell beauftragte die Wettbewerbssieger MONO Architekten, Planorama Landschaftsarchitekten und MUS Studio mit der Ausführungsplanung für die Tank- und Rastanlage, die DEGES war im Auftrag von Bund und Land für die Außenanlagen zuständig. Der Bau der Tank- und Rastanlage begann im Oktober 2018. Die feierliche Inbetriebnahme erfolgte 2021.
 
Neubau und Landschaftsarchitektur des IBA Projekts sind geprägt durch eine zurückhaltende Ästhetik. Einerseits, um den Reisenden eine Atmosphäre der Ruhe und des Rastens zu bieten. Andererseits, um sich gegenüber dem Fürstenhügel, dem Protagonisten an diesem Ort, zurückzunehmen. Als wesentliche Inspirationsquelle für den Entwurf des flachen, langgestreckten Baukörpers diente die Typologie des bronzezeitlichen Langhauses, das seinen gestalterischen Ausdruck in der Dachform findet: Das Dach steigt langsam von der Tankanlage aus zur Firstlinie an und findet am östlichen Kopfende über dem Speise- und Gastraum seinen Hochpunkt. Hier stellt eine großzügige Glasfassade den direkten visuellen Bezug zum Fürstenhügel her. Für die Gebäudehülle kam eine schlichte Aluminiumhaut zum Einsatz, die den ruhigen Gesamteindruck des Bauwerks unterstreicht. Im Inneren erzeugen die mit Vollholz verkleideten Wände und Decken eine warme und freundliche Atmosphäre.
 
An der Nordseite leitet ein überdachter Laubengang die Besucher:innen zu den beiden Haupteingängen. Diese führen in den Ausstellungsraum, der als Foyer und gleichzeitig Verteiler dient. Eine Dauerausstellung über die frühbronzezeitliche Kultur bespielt die große Holzwand in der Flucht des Gebäudekörpers und setzt sich als Lehrpfad außen fort. Die Ausstellung verbindet so Architektur und Landschaft. Entlang historischer Ereignisse und archäologischer Funde führt der Pfad bis zum Grabhügel und fasst das Realexponat schließlich mit einer kreisförmigen Wegestruktur ein. Bronzestelen und Intarsien im Beton inszenieren den Weg dorthin als Zeitschiene und bieten weiterführende Informationen zu den archäologischen Funden in der Region und den Meilensteinen der Geschichte an. Eine weitere Besonderheit ist die in entgegengesetzter Richtung liegende Landschaftsterrasse im Bereich der Ausgleichsflächen, die die entstehenden Vegetationsbereiche erlebbar macht und einen Rastort mit Blick auf Anlage und Umgebung bietet. Die Reisenden können somit das eigentliche Raststättengelände verlassen, was in Deutschland ungewöhnlich ist. Durch den nahegelegenen Unstrutradweg können aber auch Fahrradfahrende und Wandernde den Zeitreiseweg sowie die Gastronomie nutzen.
 
Die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel lädt zum Verweilen ein, was Transitorte sonst selten auszeichnet. Dieses Ensemble führt nicht an der Region vorbei, sondern geradewegs in seine Geschichte hinein. Auf der Höhe von Sömmerda ist es an der A71 nun möglich, eine reiche Kulturlandschaft zu erleben.

Ort

Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel

Autobahn 71
99610 Sömmerda

Projektträger:inner

Kooperationspartner:in

Förderung

Planungsbeteiligte

  • Architektur: MONO Architekten, Berlin
  • Landschaftsarchitektur: Planorama Landschaftsarchitektur, Berlin
  • Kommunikationsdesign: MUS, Berlin
  • Wettbewerbsbegleitung: PAD, Weimar
  • Planung und Oberbauleitung für Konzessionsnehmerin: KMP Bauplanungs- und Projektmanagement, Birkenwerder
  • Projektsteuerung für Konzessionsnehmerin: Artelia, Hamburg

Meilensteine

06.05.2015

Wettbewerb um Tank- und Rastanlage ›Leubinger Fürstenhügel‹ entschieden: 1. Preis MONO Architekten Berlin

15.06.2015

Tank- und Rastanlage ›Leubinger Fürstenhügel‹: Ausstellungseröffnung und Preisverleihung

02.09.2016

Startschuss für Konzessionsausschreibung Autobahnraststätte A 71 ‚Leubinger Fürstenhügel’

29.06.2017

Nominierung zum IBA Projekt 

01.10.2018

Baubeginn für Autobahnraststätte

07.10.2021

Feierliche Gesamtinbetriebnahme der Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel

09.06.2022

Anerkennungspreis der Architektenkammer Thüringen 2022

01.09.2022

Shortlist DAM-Preis 2023: IBA Projekt Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel nominiert für DAM-Preis 2023 

02.03.2023

Aufnahme in die IBA Abschlusspräsentation 2023

Auszeichnungen

  • Shortlist DAM-Preis 2023
  • Shell Gold Retailer of the Year 2023
  • Nominierung Deutscher Landschaftsarchitekturpreis 2023
  • Anerkennungspreis Architektenkammer Thüringen 2022