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An der Schnittstelle zwischen Stadt und Land, Wohnen und Gewerbe, Herkunft und Zukunft, Jugend und Arbeitswelt entsteht in Saalfeld eine dringend benötigte soziale Infrastruktur. Die Sommerwerkstatt 2017 war der Auftakt für eine Ideenstudie zur Entwicklung des Quartiers Beulwitzer Straße.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Das Wohngebiet an der alten Kaserne in Saalfeld ist das bunteste und jüngste Quartier im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Als Scharnier und Sprungbrett soll das IBA Projekt in Saalfeld Talente sichtbar machen, den Dialog befördern und die Selbsthilfe aktivieren.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Innerhalb von zwei Sommerwochen 2017 füllten die Anwohnerschaft und Freiwillige den »Zwischenraum zum Ankommen« auf der Kasernenbrache mit Leben, indem sie einen überdachten Freisitz aus recycelten Materialien und Paletten bauten.
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Bei Ge(h)sprächen 2020 wurde ein Aktionsraumkonzept erarbeitet.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Das Aktionsraumkonzept beinhaltete sowohl die Präzisierung der städtebaulichen Bezüge als auch die Beteiligung der Bewohner:innen.
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2021 wurde das stadträumliche Gerüst und das architektonische Konzept für ein modulares Raumsystem entlang eines Laubengangs formuliert.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Im September 2022 startete der Bau des Werkhauses. Der Entwurf, der in einem partizipativen Prozess entwickelt wurde, beruht auf einem modularen Raumsystem, das an einem Laubengang organisiert ist.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Die Recycelmaterialien für das Werkhaus, die aus einem innerstädtischen Abbruchprojekt gewonnen wurden, werden auf der Brache gesammelt und geordnet.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
2022 erfolgte der Spatenstich für das Werkhaus an der Beulwitzer Straße in Saalfeld/Saale.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Frauen und Kinder nähten in einem Workshop mehrere Kleider, die sie in einer Modenschau auf der Baustelle während des Spatenstichs präsentierten. Die auch während der Bauphase stetige Einbindung der Bevölkerung ist ein wichtiger Bestandteil des partizipativen Projekts.
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Der einfache Holzskelettbau des Werkhauses ist offen für Umbauten und Erweiterungen. Beim Innenausbau und bei der Ausstattung können die zukünftigen Bewohner:innen unter fachlicher Anleitung des Werkhausmanagers mithelfen.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Während der finalen IBA Tour 2023 überreichte die IBA der Leiterin des städtischen Amts für Jugend, Sport und Soziales Hanka Giller die Urkunde zur Aufnahme ihres IBA Projekts in die IBA Abschlusspräsentation. 
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Das Ende der Bauphase nähert sich 2024.
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Das Werkhaus vereint mehrere innovative Zugänge: den partizipativen Planungsprozess, das flexible Raumprogramm, die Verknüpfung mit dem Freiraum, die modulare Holzbauweise, den Einsatz von Recyclingmaterial sowie die Selbstbauphasen mit den Anwohner:innen.
© Stiftung Baukultur Thüringen/IBA Thüringen, Foto Thomas Müller
Mit dem Werkhaus reagiert die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, dem Bildungszentrum Saalfeld und weiteren Partner:innen auf die Herausforderungen und Chancen der Migration sowie auf die Mängel, Bedürfnisse und Potenziale im Wohnumfeld.
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Werkhaus Beulwitzer Straße Saalfeld/Saale

⸺ Raum zum Ankommen

Das heutige Wohngebiet an der alten Kaserne in Saalfeld ist das bunteste und jüngste Quartier im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Die Lage zwischen Stadt und Land bietet der Bewohnerschaft einen weiten Ausblick auf die Landschaft zwischen Saale und Thüringer Wald.
 
Seit den 1990er Jahren wandelte sich die Beulwitzer Straße zunehmend zu einem sozialen Brennpunkt. 2012 richtete der Landkreis hier eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber:innen ein. Der Bedarf an sozialer Begleitung, Bildung und Integration steigt und verändert sich auch aufgrund der Zuwanderung aus verschiedenen globalen Regionen. Um die Wohnbedingungen und Chancen im Quartier zu verbessern, bewarb sich die Stadt Saalfeld / Saale 2014 beim Wettbewerb ›Zukunftsstadt 2030 +‹ des Bundesforschungsministeriums. Dabei war überraschend, wie positiv die Anwohner:innen über ihr Quartier berichteten. Insbesondere die landschaftliche Qualität des Wohngebiets spielte für sie eine große Rolle. Die Verwaltung erkannte, dass die bis dahin geplante Entwicklung zu einem Gewerbegebiet an den Bedürfnissen vor Ort vorbeiging. Neben Unternehmensansiedlungen waren Räume gefragt, die die ansässige Bürgerschaft stärken und zugleich den Geflüchteten Möglichkeiten der Teilhabe, Bildung und Arbeit eröffnen.
 
Da kam der Projektaufruf ›Arrival StadtLand‹ wie gerufen: Als Reaktion auf die Flucht von rund zwei Millionen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Europa suchte die IBA Thüringen 2016 nach Akteur:innen, die die Willkommenskultur in ihrem räumlichen Bestand stärken wollten. Mit ihrer Bewerbung für das Quartier an der Beulwitzer Straße wurde die Stadt Saalfeld / Saale zum Kandidat der IBA Thüringen. Seither haben die Stadt und ihre Partner:innen die Quartiersentwicklung mit Unterstützung der IBA konsequent weiterverfolgt. Innerhalb von zwei Sommerwochen 2017 füllten die Anwohnerschaft und Freiwillige den »Zwischenraum zum Ankommen« auf der Kasernenbrache mit Leben, indem sie einen überdachten Freisitz aus recycelten Materialien und Paletten bauten. Verschiedene Werkstätten und Aktionen luden dazu ein, unter anderem gemeinsam Kräuter anzupflanzen, Fahrräder zu reparieren und Kleidung zu schneidern.
 
Um die städtebauliche Entwicklung weiter voranzubringen, beauftragte die IBA Thüringen 2017 Urban Catalyst aus Berlin mit einer Ideenstudie. Während der Sommerwerkstatt erkundeten die Planer:innen gemeinsam mit den Anwohner:innen den Raum. Zunächst an einer großen Ideenwand, und dann auch im Gelände markierten sie die Lieblings- und Konfliktorte, was zu weiteren Gesprächen und Ideen anregte. Schließlich entstand aus mehreren Varianten die Vision für das Werkhaus. Dieses multifunktionale, modulare Gebäude sollte Räume zum Bauen und Reparieren, Kochen und Nähen, Begegnung und Bildung enthalten, aber auch Flächen für ein von Bewohner:innen betriebenes Café und kleinteiligen Handel bieten. Differenzierte Außenbereiche unter anderem für Garten, Sport und Spiel sollten die Innenräume erweitern. Ein Aktionsraumkonzept von nonconform aktualisierte 2020 das Baufeld und präzisierte die Funktionszuordnungen im Quartier. 2021 begann die Architekturphase. In einem partizipativen Prozess formulierte die Arbeitsgemeinschaft ifau, Jesko Fezer und projektbüro das stadträumliche Gerüst und das architektonische Konzept für ein modulares Raumsystem entlang eines Laubengangs. Für die Ausführung entwickelte Sigmaplan® Weimar den Ansatz zu einem einfachen Holzskelettbau weiter. IHLE Landschaftsarchitekten Weimar planten die Freianlagen. Im Sinne des IBA Mottos »Wie wenig ist genug?« sind Baustruktur und Ausstattung auf ein Minimum reduziert. Zugleich ist das Werkhaus offen für künftige Umbauten und Erweiterungen entsprechend der dynamischen Entwicklung im Quartier. Im September 2022 konnte die Bauphase starten. Unter fachlicher Anleitung des Werkhausmanagers beteiligen sich die Bewohner:innen am Ausbau und an der Ausstattung. Dabei kommt auch Recyclingmaterial zum Einsatz, das sie bei einem innerstädtischen Abbruchprojekt gewonnen haben. Das Richtfest und erste Nutzungen sind für 2023 geplant. Nutzer:innen des 570 Quadratmeter großen Innenraums und überdachten Außenraums werden das Quartiersmanagement, Bildungs- und Sozialträger:innen, Vereine und Initiativen aus dem Quartier sein.
 
Das Werkhaus vereint mehrere innovative Zugänge: den partizipativen Planungsprozess, das flexible Raumprogramm, die Verknüpfung mit dem Freiraum, die modulare Holzbauweise, den Einsatz von Recyclingmaterial sowie die Selbstbauphasen mit den Anwohner:innen. Mit dem Werkhaus reagiert die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, dem Bildungszentrum Saalfeld und weiteren Partner:innen auf die Herausforderungen und Chancen der Migration sowie auf die Mängel, Bedürfnisse und Potenziale im Wohnumfeld. An der Schnittstelle zwischen Stadt und Land, Wohnen und Gewerbe, Herkunft und Zukunft, Jugend und Arbeitswelt entsteht hier eine dringend benötigte soziale Infrastruktur. Als Scharnier und Sprungbrett soll das Werkhaus Talente sichtbar machen, den Dialog befördern und die Selbsthilfe aktivieren.

Planungsbeteiligte

Meilensteine

23.09.2016

Nominierung zum IBA Kandidat

22.03.2017

1. Ideenwerkstatt für den Zwischenraum zum Ankommen

09.08.2017

Sommerwerkstatt Zwischenraum zum Ankommen 2017

13.05.2019

Arrival StadtLand Kongress

04.09.2020

Nominierung zum IBA Projekt

09.07.2021

Start der Bauhütte vor Ort

30.09.2022

Spatenstich für Werkhaus während des Stadtteilfests

22.02.2023

Aufnahme in die IBA Abschlusspräsentation

09.04.2023

Richtfest Werkhaus