Nordhausen, Klimagerechtes Quartier Nordhausen Nord

Suffizient, effizient, konsistent

Mit rund 42.000 Einwohner:innen bildet die Stadt Nordhausen das urbane Zentrum einer vornehmlich ländlich geprägten Region in Nordthüringen. Im Norden, Osten und Westen der Stadt entstanden in den 1970er und 1980er Jahren die für diese Zeit typischen Großwohnsiedlungen der ehemaligen DDR. Nordhausen-Nord ist mit einer Fläche von rund 24 Hektar, einer Wohnfläche von etwa 69.000 Quadratmetern und etwa 2.000 Einwohner:innen einer der drei großen Plattenbaustandorte der Stadt. Beim Gebäudebestand handelt es sich größtenteils um die Wohnungsbauserie WBS 70, einige der Gebäude wurden bereits in den 1990er Jahren teilsaniert. Das Quartier verfügt darüber hinaus über Nahversorgungsangebote, soziale Einrichtungen und einen Straßenbahnanschluss in die Innenstadt, zum Bahnhof und von dort aus per Hybridfahrzeug in den Harz. Ein Teil der Mieterschaft, die mit dem Bau des Quartiers eingezogen sind, lebt noch heute hier und genießt die hohe Wohn-und Versorgungsqualität. Das wirft allerdings auch die Frage auf, wie man das Quartier zukünftig für neue und vielfältige Bewohnergruppen attraktiver gestaltet. 

Um dafür auf städtebaulicher Ebene Perspektiven zu erarbeiten, führte die IBA Thüringen im Jahr 2017 gemeinsam mit der Stadt Nordhausen und den beiden großen Wohnungsunternehmen vor Ort eine Mehrfachbeauftragung für einen städtebaulichen Rahmenplan durch. Der Innovationsanspruch bestand in der Herstellung eines neuen Gesamtzusammenhangs der klimagerechten städtebaulichen Entwicklung — weg von einem bevorzugt technisch-quantitativen Ansatz hin zu einer gesellschaftlichen Querschnittsaufgabe. So kann ein Beitrag zur Energiekulturlandschaft geleistet werden, indem durch Maßnahmen der energetischen Sanierung ein sinnstiftender Umbau auf Quartiersebene ermöglicht wird, der unterschiedliche Teilquartiere mit ablesbaren Identitäten schafft. Ein Beitrag zur StadtLand-Mobilität kann geleistet werden, indem durch Angebote der nachhaltigen Mobilität ein aktives und multimodales Mobilitätsverhalten motiviert wird, das auf barrierefreie kurze Wege sowie attraktive Bewegungsräume im Quartier aufbaut. Und ein Beitrag zur Wertstoffwende könnte geleistet werden, indem durch Förderung des lokalen Energie- und Stoffkreislaufmanagements multifunktionale Freiräume und Treffpunkte im Quartier Nordhausen-Nord entstehen, die zugleich das Stadtteilzentrum, die Übergänge in angrenzende Quartiere sowie den Stadteingang stärken. Bei der Umsetzung stehen neben einem möglichst sparsamen und effektiven Ressourceneinsatz stets die Wechselwirkungen zwischen räumlicher Transformation und gesellschaftlichem Wandel im Mittelpunkt. 

Das Konzept der Arbeitsgemeinschaft Teleinternetcafe Architektur und Urbanismus mit HWK Landschaftsarchitekten aus Ratingen überzeugte die Jury mit der sensiblen Herausarbeitung der Entwicklungsansprüche und Quartierspotenziale. Entstanden ist so ein Klimaquartierskonzept — suffizient, effizient und konsistent —, das als dynamischer Rahmenplan drei parallele Raumentwicklungsstrategien mit vielfältigen Maßnahmen verfolgt:

Die Strategie ›Mehr Siedlung! Pointieren!‹ zielt auf die Entfaltung der Wohnhöfe als vielfältige ›Multitalente‹. Für eine zukünftig sozial und demografisch heterogene Bewohnerschaft sollen in Form unterschiedlich intensiver baulicher Eingriffe in den Bestand neue Raumangebote geschaffen werden. Um die Plattenbauquartiere von Parkplätzen zu entlasten und zu entsiegeln, sind neben E-Mobilitätsangeboten Quartiersgaragen in ressourcenschonender Bauweise angedacht, die bereits mit Nachnutzungs- und Ausbaumöglichkeiten für Wohnen und Arbeiten entwickelt werden sollen. Grafik: TELEINTERNETCAFE Architektur und Urbanismus, Berlin/Hamburg, mit HWK Landschaftsarchitekten, Ratingen
Grafik: TELEINTERNETCAFE Architektur und Urbanismus, Berlin/Hamburg, mit HWK Landschaftsarchitekten, Ratingen
Im Rahmen der Strategie ›Mehr Stadt! Intensivieren!‹ verdichtet sich die öffentliche Quartiersmitte baulich und programmatisch. Kurze Wege, vielfältige und sich überlagernde Nutzungen sowie eine schrittweise Neuorganisation des Verkehrs mit Fokus auf den ÖPNV, Rad- und Fußverkehr berücksichtigen die Alltagsbedarfe in diesem zentralen Stadtraum. Ein ›Stadtloop‹ als großzügige und barrierefreie Wegeverbindung vernetzt gestalterisch vorhandene und neue öffentliche Erdgeschossnutzungen, lädt zum Flanieren und Verweilen ein. Grafik: TELEINTERNETCAFE Architektur und Urbanismus, Berlin/Hamburg, mit HWK Landschaftsarchitekten, Ratingen
Mit der Strategie ›Mehr Land! Modifizieren!‹ übernehmen die Freiräume soziale, ökologische und infrastrukturelle Funktionen. Sie sollen schrittweise mit den Bewohner:innen zu gemeinschaftlichen Räumen mit verbesserter Aufenthalts- und Lebensqualität weiterentwickelt werden. Die am Rand gelegenen Landschaftsräume lassen sich programmatisch aufladen und leerstehende Garagen als ›Hobbyhimmel‹ oder ›Entschleunigungsdatschen‹ stärker zu neuen Stadt-Land-Wegebeziehungen umnutzen. Grafik: TELEINTERNETCAFE Architektur und Urbanismus, Berlin/Hamburg, mit HWK Landschaftsarchitekten, Ratingen

Die Teilhabe an der Ausgestaltung dieser Konzepte ist wiederum Basis der Umsetzung. Bereits während der Ausarbeitung des Rahmenplans wurde eine Einladung an alle Bewohner:innen ausgesprochen. Das Team aus Berlin und Ratingen eröffnete dazu ein temporäres offenes Planungsbüro in einer leerstehenden Wohnung und lud zu Gesprächen ein. Dieser Austausch bildete die Grundlage für alle folgenden Planungen und Realisierungen. Seit 2018 befindet sich der Rahmenplan in der Umsetzung entlang der drei Entwicklungsstrategien und anhand von den IBA Projekten Stadtloop, Nordpark und Ossietzky-Hof.


Ort


Nordhausen


Projektträgerin



Förderung



Wettbewerbsbetreuung

UmbauStadt, Weimar



IBA Projektleiterin

Kerstin Faber





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