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Foto: Thomas Müller
© LINNEA Landschaftsarchitektur, Hannover / Visualisierung Benedikt Schlund
Foto: Thomas Müller
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Nordpark Nordhausen-Nord

⸺ Klimatool Freiraum

Nordhausen-Nord befindet sich als Teil eines vielschichtigen Verflechtungsraums zwischen den baulich und programmatisch verdichteten Siedlungsbereichen Nordhausens und der produktiven Kulturlandschaft an den Ausläufern des Südharzes. Die in diesem Raum vorhandenen Qualitäten zwischen Stadt und Landschaft bilden den räumlichen Ausgangspunkt für die klimagerechte Quartiersentwicklung. Dementsprechend sollen die Hangkanten im Nordosten des Quartiers als Freizeit-, Bewegungs- und Hobbybereich für alle qualifiziert und nutzbar gemacht werden, der Landschaftsbezug des Stadtteils dadurch gestärkt und zu einem erlebbaren, wohnungsnahen Freiraum ausgebaut werden. Extensive, nachhaltige Gestaltungen mit vielseitigen Angeboten sind Ziele der Freiraumentwicklungen.

Mit dem Umbau einer großen Brach- und Parkplatzfläche zu einem generationenübergreifenden Freiraum mit Spielanlage — dem Nordpark — wird im Rahmen der IBA Thüringen darüber hinaus die Frage gestellt, wie sich ökologische Belange als wichtiger Baustein der Nachhaltigkeit faktisch messen lassen. Das Büro LINNEA Landschaftsarchitektur aus Hannover hat sich dazu intensiv mit Möglichkeiten der Wiederverwendung von Materialien sowie klimagerechten Bauweisen beschäftigt und modellhaft den CO₂-Verbrauch für das Vorhaben ermittelt. Ziel war es, auf dieser Basis die Planung in allen Leistungsphasen klimagerecht zu optimieren, die Ergebnisse zu dokumentieren und für zukünftige Freiraumplanungen anwendbar zu machen — als Klimatool Freiraum. 

Nachhaltigkeit im IBA Verständnis bedeutet, dass die Projekte stets mehrdimensional entwickelt werden. Die Umnutzung der Parkplatzflächen zu einem multifunktionalen und barrierefreien Nordpark mit Spielanlage ist für den Stadtteil von großer Bedeutung, da es besonders für die Altersgruppe ab zehn Jahren im Quartier nur wenig Spiel- und Bewegungsangebote gibt. Öffentliche Freiraumstrukturen in dieser Form sind bedeutend, um junge Familien für das Stadtquartier zu gewinnen. Die Nachhaltigkeit des Vorhabens liegt darüber hinaus in der partizipativen Gestaltung mit den Kindern und Jugendlichen vor Ort. Die intensiven Beteiligungsprozesse der Planungsphase werden auch in der Bauphase umgesetzt. Mitmachbaustellen für Kinder und Jugendliche sind geplant.

Der ressourcenschonende Planungsansatz folgt dem Prinzip: je klimagerechter, desto nachhaltiger. So werden die barrierefreien Aufenthalts- und Spielangebote umrahmt von einem robusten und naturnahen Grünsaum mit hoher Artenvielfalt. Zahlreiche schattenspendende und klimaangepasste Bäume sind vorgesehen, Flächen werden entsiegelt und das anfallende Regenwasser wird vollständig vor Ort versickert. Statt immer neue Materialien zu verbauen, werden die Möglichkeiten, vorhandene Baustoffe wiederzuverwenden, ausgereizt: Eine Bushaltestelle wird als Unterstand für Jugendliche umgebaut, alte DDR-Betonmastleuchten werden zu spielerischen Balancierelementen aufgewertet, Schüttgüter wie Schotter und Betonaufbruch wieder eingebaut. Der Bauhof der Stadt Nordhausen hat sich zudem als Fundgrube für Betonpflaster und Natursteinborde gezeigt, Material, das zur Hangabfangung genutzt wird.

Zur Einhaltung der Klimaziele will sich das Projekt nicht nur darauf beschränken, die Folgen des Klimawandels mit klimagerechten Bauweisen und der Wiederverwendung von Materialien abzumildern, sondern verfolgt das Ziel der maximalen CO₂-Einsparung. Die Landschaftsarchitekt:innen aus Hannover haben dazu den tatsächlichen CO₂-Verbrauch für das Bauvorhaben ermittelt und eine praxisorientierte Instrumentenmatrix erarbeitet, die dazu beitragen soll, diese und zukünftige Freianlagen klimagerecht zu gestalten. Dies ist Neuland, denn konkrete Bilanzierungen als Grundlage für CO₂-sparendes Bauen werden bisher nur bei Hochbauprojekten mit hohen Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt, aber nicht in der Landschaftsarchitektur. Auch die für die Berechnung benötigten Umweltproduktdeklarationen (EPD) sind für diese Branche noch lückenhaft. Im Nordpark wird somit die Umsetzbarkeit der CO₂-Bilanzierung für den gesamten Herstellungsprozess, von der Planung über den Bau bis zur Pflege, ein erstes Mal erprobt und Maßnahmen zur Vermeidung, Reduktion und Neutralisation untersucht. Gleichzeitig zeigen sich Handlungsfelder, die durch Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gelöst werden müssen, auch geänderte Regularien für öffentliche Vergaben zugunsten CO₂-sparender Materialien und Transporte gehören dazu.

Das IBA Projekt Nordpark beweist, dass Freiraumgestaltung mit Anspruch an Aufenthalts-, Spiel- und Bewegungsangeboten gleichzeitig ökologische Belange in hohem Grad umsetzen kann. Neben klimagerechten Bauweisen ist es vor allem nötig, sich intensiv mit dem Bestand auseinanderzusetzen und die Wiederverwendung von Materialien einzuplanen. Das für dieses Projekt erarbeitete Klimatool ist ein sinnvolles Werkzeug, um das CO₂-Einsparungspotenzial über alle Leistungsphasen hinweg zu prüfen und zu maximieren. Der Aufwand für CO₂-Berechnungen in der Baubranche im Allgemeinen und in der Landschaftsarchitektur im Speziellen sollte zukünftig zum Standard eines jeden Bauvorhabens werden. Öffentlich geförderte Projekte können hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen und neben Nachhaltigkeitsstandards auch CO₂-Grenzwerte für Freianlagenplanung festlegen.

Ort

Nordpark

Hufelandstraße
99734 Nordhausen

Kontakt

Kerstin Faber, ehem. IBA Projektleiterin

Projektträger:inner

Kooperationspartner:in

Förderung

Meilensteine