Häselburg Gera
⸺ LeerGut wurde freies Kulturhaus
Gera liegt im Osten der Thüringer Städtekette. Einst fürstliche Residenz, ab dem 19. Jahrhundert eine Industriestadt und in der DDR Bezirkshauptstadt, sucht Gera heute seine Identität zwischen Großstadt und regionalem Zentrum. Die gemischten und widersprüchlichen Transformationserfahrungen spiegeln sich im Stadtbild, in der Politik und im kulturellen Leben wider. Geras Innenstadt ist heute vielerorts stark von Brachen und Leerstand geprägt.
Wenige Schritte südlich vom Marktplatz sind jedoch neue Entwicklungen zu erleben: Gegenüber dem neuen Schulcampus des Gymnasiums Rutheneum wuchs seit 2016 mit der Häselburg ein neuer Ort für Kunst und Kultur, für Bildung und Diskurs. Das dreiteilige gründerzeitliche Gebäudeensemble diente ursprünglich als Mädchenschule und Verwaltungssitz, bis es nach längerem Leerstand von der Stadt auf dem Weg einer Konzeptvergabe verkauft wurde. Den Zuschlag erhielten die privaten Bauherr:innen Dr. Claudia Tittel und Burkhard Schlothauer mit ihrer Vision eines freien Kulturhauses. Im Zuge des Projektaufrufs Arrival StadtLand folgte wenig später der IBA Kandidatenstatus. Seither haben beide die 2.600 Quadratmeter umfassenden Räumlichkeiten schrittweise und behutsam wieder denkmalgerecht instandgesetzt und als Multitalent nutzbar gemacht. Dabei folgten sie dem IBA Leitsatz: Wie wenig ist genug? Die Planungen und der Ausbau entwickelten sich zum großen Teil in Eigenregie in einem dynamischen Prozess mit Nutzer:innen, Architekt:innen und Bauleuten. Soweit möglich, wurden Bauteile aufgearbeitet und wiedergenutzt. Von Beginn an gab es Zwischennutzungen, um die neue kulturelle Zweckbestimmung des bekannten Gebäudeensembles zu erproben und im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.
Im Jahr 2022 werden die beiden Gebäudeteile der ehemaligen Mädchenschule mit Kunstgalerie, der freien Kunstschule Gera, mit Ateliers, dem Veranstaltungskeller Altes Wannenbad, weiteren Mieträumen sowie Zimmern für Kunstschaffende und Dozierende voll genutzt. Ankermieter ist das Medienbildungszentrum der Thüringer Landesmedienanstalt. Der dritte Teil, das spitzwinklige ehemalige Wohn- und Geschäftshaus, wird mit Gästezimmern und Büros für die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgebaut. Das Erdgeschoss bietet Räume für ein Kulturcafé und Vereinsaktivitäten. Ein neues skulpturales Treppenhaus mit einem Aufzug des Architekten Thomas Laubert verbindet die drei Gebäudeteile und sichert die barrierefreie und brandschutzgerechte Erschließung des Gesamtensembles. Wesentlich für die Innengestaltung der Häselburg ist die enge Verbindung von Kunst und Architektur. Ortsspezifische Installationen ergänzen den Bestand und schaffen neue Raumeindrücke.
Mit ihren freien Kunst-, Begegnungs- und Bildungsräumen spricht die Häselburg neue Zielgruppen an und trägt dazu bei, in der Innenstadt eine neue Urbanität zu erproben. Ihr Kulturangebot bereichert die Stadt Gera und strahlt in die Region aus. Dabei sind Weltoffenheit und gesellschaftliche Vielfalt Haltung und Programm.
Migrantische Positionen und Erfahrungen sind regelmäßig in Ausstellungen und Sommerakademien präsent. Identitätsfragen werden in unterschiedlichen Kunstsparten, Medien und Bildungsangeboten verhandelt. Die Häselburg ist inzwischen in vielfältige lokale und überregionale Netzwerke eingebunden. Um diesen Ort für Begegnung und Dialog in Gera zu stärken und die Synergien der Kulturinstitutionen und -schaffenden zu stärken, soll auch ein Kulturcafé entstehen.
Beispielhaft für das IBA Projekt Häselburg ist das Engagement der privaten Bauherr:innen. Unter hohem persönlichen Einsatz gelang es ihnen innerhalb weniger Jahre, ein großes Leerstandsobjekt in einem schwierigen Umfeld als wertvolle Ressource nicht nur für die Kultur, sondern auch für die Stadtentwicklung zu aktivieren. Dazu gehörten nicht nur Kunst und Architektur, sondern auch ein tragfähiges Betreiberkonzept und große Flexibilität in einem offenen Prozess. Über den Bestand hinaus entstanden im Zuge der IBA auch Planungen für einen Anbau, um die Nutzungen mit einem zeitgenössischen baulichen Ausdruck zu erweitern und die offene städtebauliche Situation zum Stadtgraben zu klären. Für diesen nächsten Investitionssprung befindet sich die Häselburg weiterhin in einem Entwicklungs- und Diskussionsprozess, der eng mit Fragen der gesellschaftlichen Unterstützung und Baukultur verbunden ist.
Ort
Häselburg
Burgstraße 12
07545 Gera
Projektträger:inner
- Häselburg Besitz KG
Kooperationspartner:in
- Kulturhaus Häselburg e.V.
Förderung
- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Nationale Stadtentwicklungspolitik
- Freistaat Thüringen: Lottomittel
- Thüringer Staatskanzlei: Kulturförderung
- Fonds Soziokultur
- Kulturstiftung des Bundes
- Robert Bosch Stiftung
- Internationale Bauausstellung Thüringen GmbH