Vorschau für Doku IBA Campus 2017 Kannawurf
Doku IBA Campus 2017 Kannawurf (Er)findung einer neuen Landschaftstypologie des 21.Jahrhunderts
2017
deutsch, englisch
Nun auch noch Landwirtschaft?! Da bewegt sich doch nichts! Bekommt man sowieso nicht hin bis 2023. So und ähnlich klangen die Reaktionen auf den IBA Kandidaten Kannawurf, der nicht in erster Linie wegen seines schönen Schlosses oder des in jedem Fall beachtlichen Neubaus eines Renaissancegartens aufgenommen wurde, auch nicht wegen eines anspruchsvollen Kulturprogramms auf dem Land, sondern wegen seines Nachbarn. Roland Lange und seine Mitstreiter vom Künstlerhaus Thüringen e.V. hatten den Landwirt Udo Wengel angesprochen, der seinerseits 1.500 Hektar landwirtschaftlicher Produktionsfläche als Experimentierfeld anbot – ganz im Sinne einer Internationalen Bauausstellung – experimentell, ergebnisoffen, exzellent in der Gestaltung. Wenn die IBA Thüringen das Thema StadtLand aufruft, so geht es ihr um einen neuartigen gesellschaftlichen Metabolismus im weitesten Sinn. Wir müssen – das ist die Überzeugung der IBA Thüringen in Zeiten von Postwachstum und des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels – zu einem grundsätzlich neuen Verhältnis von Individuen und Natur, von Siedlungen und Freiräumen sowie von Gesellschaft und Ressourcen kommen. Der französische Philosoph und Soziologe Bruno Latour erklärt uns auf intelligente und eindringliche Weise, dass »die Erde sich nicht nur bewegt, sondern auch verhält, indem sie auf das reagiert, was wir ihr antun«. Er plädiert dafür, sich auf die stärker auf die Verbindungen zwischen der materiellen Welt der Objekte und der menschlichen Welt der Subjekte einzulassen. Und so fragt die IBA Thüringen unter anderem, wie die Landwirtschaft im StadtLand der Zukunft aussehen sollte. Diese Frage ist heute aktueller denn je: Da wurden die öffentlichen Debatten des Vorjahres um den Einsatz von Glyphosat durch den Lebensmittelskandal der Fipronil-Eier abgelöst, da prognostiziert das Umweltbundesamt Preissteigerungen für die Wasserversorgung um 45 Prozent wegen der gestiegenen Nitratbelastung des Grundwassers und der Spiegel berichtet über den »Sommer der Stille«, bei dem der Artenschwund von Insekten für den Rückgang vieler Vogelarten verantwortlich ist.3 Spätestens seitdem alle mitbekommen haben, dass man auch im Sommer die Windschutzscheiben der Autos nicht häufiger reinigen muss als im Winter, weil eben einfach keine Insekten mehr daran kleben, wird klar: Es geht nicht mehr immer so weiter. Das Thema Landwirtschaft bei einer IBA auszulassen, die sich dem Thüringer StadtLand widmet, hieße, um den heißen Brei herumzureden. Umwelt- und Naturschützer reagierten auf diesen Vorstoß der IBA Thüringen positiv, Fachleute mit Unterstützungszusagen und großer Neugier, der Thüringer Bauernverband abwartend und – wie mir im Ergebnis des Werkstattgesprächs schien – mit noch längst nicht überwundener Skepsis. Zu belastet ist die Kommunikation zwischen den Landwirten und ihren Verbänden einerseits und ihren Kritikern andererseits. Neben dem inhaltlichen Neuland, das die IBA Thüringen mit diesem Projekt betreten will, geht es ihr daher stets auch um einen offenen, fairen und vorurteilsfreien Austausch, der nicht bei gegenseitigen Vorwürfen und in ideologischen Positionen steckenbleibt.
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Veröffentlichungsjahr:
2017
Sprache:
deutsch, englisch
Herausgeber:innen:
IBA Thüringen

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