Baukultur machen!

Der dritte IBA Salon gibt Impulse zur Entwicklung Thüringens zum Baukulturland. Zum Thema „UmbauKultur initiieren“ hatte die IBA Thüringen gemeinsam mit dem Salonpartner Architektenkammer Thüringen in das Angermuseums geladen. Zu Gast waren mit Dr. Marta Doehler-Behzadi und Muck Petzet zwei Experten der baukulturellen Theorie und Praxis.

Dr. Marta Doehler-Behzadi ist Stadtplanerin und Referatsleiterin für Baukultur und Städtebaulichen Denkmalschutz im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Anhand ihres aktuell veröffentlichten Forschungsprojekts „Baukultur in ländlichen Räumen“ erklärt sie die Bedeutung von Baukultur für kleinere Gemeinden. Der Architekt Muck Petzet setzt sich dafür ein, Vorhandenes umzubauen statt Neues zu bauen. Beide stellten im IBA Salon ihre Positionen und Erfahrungen im weiten Feld der Baukultur vor und formulierten auch ihre Erwartungen an die IBA Thüringen im Gespräch sehr deutlich.

„Baukultur machen – konkret werden“, lautet Dr. Doehler-Behzadis Ausgangsthese. Sie wies darauf hin, dass Erkenntnisse über Baukultur ausreichend vorhanden sind, es jedoch an der Umsetzung dieser mangelt. Die Stadtplanerin sieht Baukultur als Motor einer positiven Regionalentwicklung und als Gemeinschaftsprojekt.  Dabei hält sie die Konstellationen für Baukultur im ländlichen Raum für schwieriger als im städtischen Kontext. Zum einen werde der ländliche Raum trotz seiner hohen Dynamik nach wie vor von einem sentimentalen Vorstellungsbild geprägt, zum anderen fehle dort oft das Verständnis und die Sensibilität für die Bedeutung von Baukultur. „Es kommt darauf an, keine Spannungen zwischen Neubau und Bestand aufzubauen. In der Vergangenheit gab es regionale Bautraditionen und ein sinnfälliges Zusammenspiel von regionalen Baustoffen. Zurück zu diesem regionalen Maßstab zu kommen, ohne jedoch engstirnig zu werden, ist eine interessante Aufgabe. Ich erwarte von Alltagsbaukultur im ländlichen Raum, dass sie fein ist und den Durchschnitt hebt.“ 

Dem Verständnis von Muck Petzet nach ist Baukultur heute Umbaukultur. Das Motto des vom ihm kuratierten deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig 2012 „Reduce, Reuse, Recycle“ zeigt genau dieses Wertesystem zum Umgang mit Bestandsgebäuden: Je weniger Änderungen gemacht werden, und je weniger Energie aufgewendet wird, umso effektiver ist für ihn die Umbaustrategie. Für Petzet ist das heutige Bild von Nachhaltigkeit in der Architektur von spektakulären Neubauten geprägt. Leider werde die in Gebäuden vorhandene Energie oft nicht erkannt, so Petzet.

Entsprechend verändere sich auch das Berufsverständnis des Architekten, der vom Schöpfer des Neuen künftig stärker zum Entwickler des Vorhandenen werde. „Es geht vor allem um die Veränderung der Wahrnehmung. Für die vorhandene Schönheit im Alltag muss ein Gespür entwickelt werden, statt immer nur an das Bauen zu denken.“

Diese Haltung verdeutlichte Petzet im Vortrag anhand zahlreicher Beispiele, wie z.B. aus dem Architekturbüro Lacaton & Vassal oder der von ihm umgebauten Plattenbausiedlung in Leinefelde. Die Bewohner als soziale Ressource ernst zu nehmen sei für ihn wesentlich.